Déconstruire l’organe pour refaire le monde
Dekonstruktion eines Organs für die Umgestaltung der Welt
Hafsah Hachad, Janina Kehr und Maren Jeleff
Hämodialyse ist eine medizinische Technologie, die bei Menschen mit chronischem Nierenversagen das Blut außerhalb des Körpers mit Hilfe einer Dialysemaschine reinigt. Schätzungen zufolge gibt es weltweit 3-4 Millionen Hämodialysepatient*innen. Mindestens ebenso viele Menschen würden die Dialysebehandlung zum Überleben benötigen, erhalten sie aber nicht.
Nierengesundheit ist besonders anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels, und in Zukunft werden weltweit stetig mehr Menschen aufgrund von Hitze, Giftstoffen und chronischen Krankheiten an Nierenversagen leiden, insbesondere im Globalen Süden. Die Dialysebehandlung findet wegen ihres hohen Verbrauchs von Energie, Wasser, Einwegmaterialien und der Häufigkeit der Behandlungen aber derzeit vorwiegend in medizinisch und klimatisch streng regulierten, ressourcenreichen Kontexten des Globalen Nordens statt. Gleichzeitig trägt sie aufgrund ihrer Ressourcenintensität zum Klimawandel überall auf der Welt bei. Derzeit beherrschen drei internationale Unternehmen den globalen Dialysemarkt, deren Dialysegeräte aber weder die Möglichkeiten des Recyclings noch der Wiederverwendung oder Anwendung in ressourcenärmeren Kontexten ausreichend berücksichtigen.
In unserem interdisziplinären, explorativen Wissenschafts-Kunstprojekt stellen wir das technische Objekt der Hämodialysemaschine ins Zentrum der Analyse, um die Paradoxien, Ungleichheiten und Möglichkeiten der Veränderung von Gesundheitsversorgung in Zeiten des Klimawandels und globaler Ungerechtigkeit zu beleuchten. Wir tun dies, indem wir das technologische Objekt in unterschiedlichen Settings betrachten und materiell und symbolisch dekonstruieren, das heißt zerlegen, um die vielfältigen Bestandteile und weltweiten Verknüpfungen, die in ihm enthalten sind, sichtbar und schlussendlich veränderbar zu machen.
Wir gehen zunächst von der Maschine aus, wie sie sich gewöhnlich präsentiert: ein technisches Gerät, ein machtvoller Fetisch, der durch das quasi-magische Filtrieren von Blut im klinischen Kontext menschliches Leben erhält. Dann brechen wir mit dieser vorherrschenden Sichtweise, indem wir eine des Alters wegen ausgesonderte Maschine dem Klinikkontext entnehmen und nicht nur sprichwörtlich, sondern auch physisch mit Hilfe einer Bioingenieurin in ihre Einzelteile zerlegen und dies fotografisch dokumentieren. Diese Dekonstruktion wird im April 2025 in Wien stattfinden. Das Öffnen der Dialysemaschine und somit der therapeutischen „Black Box“ ermöglicht so eine Subversion des Blicks auf medizinische Technologie, mit der wir zu einer kritischen und kreativen Analyse der im technischen Objekt eingekapselten Weltsichten, (Macht-)beziehungen, Umweltauswirkungen und Materialitäten anregen wollen.
Die Maschine, so wie sie in den jetzigen Bildern im Krankenhaus während der Dialysebehandlung zu sehen ist, beschränkt den Fokus auf das „Hier und Jetzt“. Die analytische Aufmerksamkeit wird also vollständig von diesem begrenzten raumzeitlichen Kontext eingenommen. Das physische Objekt zu dekonstruieren erlaubt uns, den Raum und die Zeit der Reflexion auszudehnen. Es bedeutet auch, die Analysemaßstäbe zu vervielfachen: von Mikro bis Makro, vom Individuum bis zur Gesellschaft, vom Patienten bis zu Ökosystemen, von pragmatisch bis konzeptionell. Durch die Dekonstruktion möchten wir zeigen, dass jedes Element der Maschine, jedes Teil, aus dem sie besteht, nicht nur medizinische, sondern auch politische Werte, ökologische Auswirkungen und ökonomische Entscheidungen verkörpert. Auf diese Weise möchten wir die Welt, die in dem technischen Objekt enthalten ist, in ihrer materiellen und symbolischen Realität und Vielschichtigkeit sichtbar machen. Die Maschine zu öffnen bedeutet damit auch, das Feld der Möglichkeiten für alternative Ansätze zu öffnen.
Unser Projekt besteht aus mehreren Teilprojekten und wird durch einen hybriden Prozess dokumentiert, der konzeptionelle Fotografie und analytische Texte kombiniert. Teil 1 befasst sich mit der Maschine im klinischen Kontext, die Beziehung zwischen Patient*innen und Dialysemaschine, sowie der Pflegebeziehung. Teil 2 beschäftigt sich mit der Maschine an sich, und portraitiert sie im Ganzen und Partikularen, um die äußeren und inneren Bestandteile des technischen Objekts sichtbar zu machen. Der darauf anschließende Dekonstruktionsprozess zielt darauf ab, die zahlreichen Teile der Maschine „neu“ anzuordnen und anhand unterschiedlicher Logiken neu zu kombinieren. So sollen andere Blickwinkel und Denkansätze generiert und, in fine, ein nachhaltigerer und zugänglicherer Prototyp konstruiert werden.
Vielen Dank für die Unterstützung:
Alliance Sorbonne Université, Institut de la transition environnementale
Universität Wien, Research Group Health Matters
Université de technologie de Compiègne, Research Unit Bio-Mechanics and Bio-Engineering (BMBI) - UMR CNRS 7338